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1871
1.
Ostersonntagd.
dender
9. April.
Abreise. Theo bringt michzum Bahnhof. Coupé für Nicht-Raucher; – immer langweilig.Nie wieder. Keine Oster-glocken. Sonne, Oede, Lange-weile. Kritische Bedenkengegen den „Wandrer durchMark Brandenburg.“ InWittenberg Tausende von
französischen
franz.Gefangenen, in langer bunterLinie an der Bahn aufgestellt,viel Cavallerie-Uniformen.Alles verschossen und dochmalerisch. Auch viele Fran-zosen, Offiziere in Civil undNicht-Civil auf unsrem Zuge. Immer bei Durst und Appe-tit. Mein Mitreisender,miles catarrhalis trock-nete Taschentücher. ThüringerBahn. Es wurde hübscher.Ueberall Guirlanden und Fahnenzu Ehren der heimkehrendenFürsten oder Landwehren.In Dietendorf ein dem speciellen thüringischenLandesgeschmack adaptirtesDiner. Ich saß mit 10
französischen
franz. Offizieren am selbenTisch. In unglaublicher Ver-blendung riefenschrieen sie laut undwiederholentlich: Kellnèr,Wein, Rothwein. Endlichsetzte der Angerufene einen Rundbau von der Construktioneiner Platt-Menage, odereines Essig- und Oel-Ständers,eine Art Fortifikationsthurmder aber mit Rothweinin halben Flaschen geladenwar, vor diese leichtsinnigenSöhne von Bordeaux und Bur-gund. Das erregte nationaleGefühle ging nicht so weit,daß sich nicht eine Theilnahmein mir geregt hätte. DieSöhne von Bordeaux und Bur-gund und – dieser Dieten-dorfer! Vorbei an der Wart-burg, an Hünfeld schlimmen Gedenkens, über die Thürme undKuppeln von Fulda, an Bronzell, an derlinks noch im Schneeliegenden „hohen Rhön“auf Gelnhausen und Hanauzu. Um 9 in Frankfurt.Um 9 34 weiter gen Straß-burg. Auf dem FrankfurterBahnhof noch eine un-glaublich widrige Scenezwischen einem Leutnantund einem Kellner; um6 12 früh in Straß-burg.
Ostermontag10. April.
Abgestiegen im Rebstockoder Rebenstock, altes, gutes Hôtel in der Ruedes Tanneurs, nun baldwohl Gerberstraße. Noch bis10 geschlafen oder doch zuschlafen versucht. An Emilieeinige Zeilen geschrieben.Auf den Place de l’hommede fer, auf den Kleberplatz,(jetzt Paradeplatz) auf denGutenberg-Platz (Post) biszum Münster. Er istvielfach eigenthümlich, einreicher, schöner, intressanter,lehrreicher Bau, dennochfinde ichihn als ein-heitliches Kunstwerk untermanchem andern stehend. Das Innre und den Thurmhab ichmir für meineRückkehr aufgespart. DieGutenberg-Statue ist äußerstlangweilig, die Reliefssind unschön und lächerlich; sehrgelungen ist die Kleber-Statue, hat auch einen hübschenBronce-Ton. Die Stadt wimmelt vonMilitair. Den Hauptstockliefern die 47 er, die25 er und mehrere BatailloneWürtemberger, die allerdingssehr gut aussehen; dazu sahichSachsen (105.) und Braun-schweiger, so wie Gruppenvon 10 andern Regimmentern. VonArtillerie scheint eineAbtheilung des 11. Regimentshier zu sein, vielleicht dasganze Regiment. Gegessen im „Rebstock“.Völlig deutsche Gesellschaft, vor-zugsweise (natürlich) Berliner;das Ganze erinnerte sehran die 64 er Tage in Flens-burg (Hôtel Rasch) und die66 er Tage im blauen Sternoder braunen Roß zu Prag. Nach dem Diner ins Caféde la Lanterne in der Ruede la Lanterne; ganz wiealle guten Caffèhäuser amRhein und in der Schweiz.An Lucae ein paar Geburts- tagszeilen geschrieben. Der Zug ging um5 Uhr Nachmittags stattum 7 Uhr Abends, also sit-zen geblieben und zwarunter erschwerenden Umstän-den, denn das Zimmer warinzwischen vergeben. Schließ-lich aber doch verbessert. Alle Namen an den Schildern,viel mehr als bei uns, sinddeutsch oder jüdisch, aber dieGeschäftsangaben alle französisch;es bleibt erstaunlich, daß siedoch alle überhaupt nochdeutsch sprechen und es wäreinteressant nachzuweisen (Fragefür Lazarus) wodurch siedoch 200 Jahre lang, namentlich aber während der letztenrapide vergehenden 50 Jahre,nebenher deutsch verbliebensind. War es doch dienächste Nachbarschaft Deutschlands,die beständigen Beziehungen zuihm, war es die Zähigkeitdes seiner alten Art getreubleibenden, deutsch sprechendenLandvolks, oder war esdie einfache Klugheits-Erwä-gung: es ist immer ein Vortheil2 Sprachen sprechen zu können,vortheilhaft für das Reussirenim Leben und außerdem be-quem, weil man der Majo-rität der andren gegenüberauf die leichteste Weise Geheim-isse bewahren oder befördern konnte. Auf den Straßen sprichtso ziemlich alles in demon-strativer Weise französisch.Ein Rudel Kinder amüsirtemich. Sie trugen zinnerne Ehrenlegions-orden auf der Brust aneinem dreifarbigen Bande hängend,dazu allerhand Waffen in derHand, wie die Jungens beiuns, aber sie trugen am tricolorenBande zierliche zinnerne Ehren-legionsorden auf der Brustund sangen die Melodie(wie mirs schien mit unter-gelegtem spöttischen Text)des französischen Zapfenstreichs.Hatte schon die Demonstrationals solche ein kleines Interesse,so interessirten mich doch vor allem auch diese Töne wieder.Seit Besançon hatte ich sienicht wiedergehört, wo all-abendlich 3 Trommler und dreiClaironbläser unter ungeheuremLärm die Citadelle umzogen.
Dinstag d.
dender
11.April.
Um 7 Uhr Abfahrtnach Nancy, Toul, Commercy,Bar le Duc, Vitry, Chalons,Epernay. Ankunft in Epernaygegen 10 Uhr Abends. Warzu müde um noch bisReims zu gehn. Abgestie-gen im Hôtel de l’Europe,Abendbrod gegessen undin der Stadt der besten Cham-pagner Sorten eineFlasche Bier getrunken.So geht es immer. DieFahrt als solche langweilig,den ganzen Tag über nichtsgehört und gesehn, dasder Rede werth wäre undnur im Coupé selbstErsatz gefunden: meinReisebegleiter den ganzenTag über bis Vitry warder Professor der AesthetikVischer. Er besuchte seinenSohn, der bei den würtemberg.Reitern in Vitry steht. Eintrefflicher alter Herr. So ’nalter deutscher Professor, wenn er von der guten Sorteist (und die Carrikaturentreten mehr und mehrvom Schauplatz ab) ist dochimmer eine erquickliche Er-scheinung. Hertz hat Recht: es sind die eigentlich vornehmenLeute. Und es muß so sein,die Beschäftigung mit dem Geisti-gen und Schönen, wenn sieden Menschen nicht adelte, wärenicht besser wie Papeterie-Arbeit. Ueber den 66 erKrieg hatte ich eine scharfeDifferenz mit ihm, aber nursachlich, in der Form bliebenwir ganz ruhig. Er citirteallerhand gute Geschichten.
1. Von Richard Wagner sagteer (nach Gottfried Keller) „derKerl ist wie eine femmeentretenue, mal hat ihndieser oder diese, mal jeneroder jene, aber immer wirder „ausgehalten“, immer mußder andre bezahlen, bis einerkommt der mehr bietet.
2. Ueber das durch Bismarckgeeinigte Deutschland sagteer (Citat aus sich selber)„Germania wurde vomdeutschen Michel, einemhübschen Burschen, mit Liedern umfreit, und siegab sich nicht, da kamendlich ein kecker Junker undnothzüchtigte sie.“ Er fand indeßseinen eignen Ausspruch etwascynisch. Ich sagte ihm: hoffenwir daß es der Germania gehtwie den Sabinerinnen, dieschließlich auch froh waren überden Gewaltakt. – Wir sprachenauch über Kugler, Lübke,Schnaase und viele andre. – In-teressant war eine Scene inBar le Duc, wo ein schwer-besoffner Franzose in unser Coupékam, in dem nur Vischer undich saßen. Monsieur le Conducteur,je vous prie . . . . . cet hommelà a-t-il un billet pourla deuxième classe? DerCondukteur kämpfte einenschweren Kampf, endlich wurdesein Landsmann an dieLuft gesetzt. – Vischer er-zählte viel über seineReisen in Griechenland, Sicilien,Italien überhaupt, dabei trieber mit Vorliebe vergleichendeSprachwissenschaft. Enfin eintüchtiger, kluger, charakter-voller, intressanter Mann,aber ganz Schwabe, inder emannischen Welt mitVorliebe zu Hause und dem-nächst in der klassischen Welt.Preußen muthet solche Na-turen nicht an und kannauch nicht. Uebrigensverachtete er jeden Parti-cularismus, am meisten
Sorte.
„Genie crepitus“
Mittwochd.
dendender
12. April
In einer kleinen Stubemit einem schnarchendenFranzosen fest und gut ge-schlafen, wahrscheinlich schnar-chend wie er. Er kamerst, als ich schon schlief;wir begrüßten uns; um5 Uhr früh verschwander schon wieder. Man bringtes am Ende noch biszum Eberhardt im Bart undkann in jedes FranzosenSchooß ruhig schlafen. Um 10 14 Spatziergangdurch die Stadt. Nichts Bedeu- tendes, nichts Malerisches,eine Mischung von Wriet-zen und Kissingen. Das Bestedran sind viele, zum Theilunregelmäßig geformtePlätze, durch curvenförmigeStraßen unter einander ver-bunden. Die Kirche einSpät-Renaissance-Bau istrestaurirt, so daß jetzt eineneue nüchterne Renaissancesich an den Rest altermalerischer Renaissance an-lehnt. Das Ganze unschönunbedeutend. Das Palais deJustice ist ganz neu, in demüblichen, nur noch verlang-weilten Pavillon-Styl sovieler Pariser Neubauten aufgeführt. Unbedeutend. Derdavor gelegene große Platzzeigte die Kastanien und Lindenim ersten Hellgrün, wasmeinem Auge ordentlich wohlthat. Hügel fassen vonder einen Kreishälfte her,wahrscheinlich von Westen undNordwesten her, die Stadtein. Diese Hügel sind wohldie Weinberge. Die Stadthat nirgends einen Abschluß,sondern die Straßen verlaufensich dorfartig ins Freie. VonWeinfabrikation, oder Wein-großhandel sieht man nichts.Das Geschäft entzieht sich demAuge, wie sich das LondonerGroßgeschäft so oft dem Augeentzieht. Dann und wannsieht man größere undelegantere Häuser, weiß mit rother Ziegel-Einfassungan den Ecken und Fenstern,dazu mit hellen Jalousieenvon oben bis unten. DieseHäuser liegen meist zurück-gelegen, mit Vorhof oderVorgarten und sind durch einEisengitter von der Straßeabgeschnitten, aber auch dieseHäuser verrathen mehrWohlhabenheit wie Schönheit.Alles in der ganzen Stadtist ungewöhnlich flach und lang-weilig; nur dann und wannsieht man eine aparte Kleinig-keit, so beispielsweise einenFleischer-Scharren, durchein großes grünes Eisen-gitter von der Straße ge- trennt und das Gitteroben mit einem ver-goldeten Ochsenkopf und zweiflankirenden Widder-köpfen geschmückt. Fabrique et Magazinde Bouchons, XatartFrères. Ein großes schönesHaus. Dies sagt sehrviel. Wo solche fropfenfabrik vorkommt, da mußviel gekorkt werden. Vischer. Es ist eine Nationvon einer „natürlichenEdukation“. Dann sagteer wieder: man übersieht(beispielsweise in der Schweiz)daß die Franzosen auch in denXatartvornmiteinemX. vielgerühmten „Geschmack-sachen“ oft gegen die Deutschenzurückstehen; so beispiels-weise in Sachen der Mili-tair-Uniformirung. Sie steckennoch ganz in der Carrika-tur, in der Abgeschmackt-heit, im Kindisch-Rohen.“Man kann dies zugeben,in Schwaben besonders, woaber in der Uniform eines20 ers oder 24ers die„geschmackliche Ueberlegen-heit“ steckt, kannich nicht finden
Erstaunlich ist die Sicherheitder jungen deutschen Mili-tairs von 18 Jahren; tragen sie nun gar ein eisernesKreuz, so ist sie étonant.Man vergleiche damit wieein alter Superintendent derbei der 50 jährigen Dienstfeiereinen rothen Adler kriegt, diesseinen Orden trägt; er trägtes so dürftig ergeben alswär es sein „Kreuz.“ Diesefurchtbare Sicherheit hat etwasAengstliches, leise Bedrücklichesund sie wäre unerträglich,wenn nicht von Familiewegen eigentlich das ganzeVolk daran theilnehme. JederVater hat einen Sohn dabei,und wenn ihm die Sacheanfängt etwas bedrücklichzu werden, so denkt er an seinen eignen18 jährigen und tröstetsich damit, daß er aufeinem „Umwege“ an dieseneigenthümlichen Triumphentheilnimmt. Die Würtembergermachen sich in jeder Bezie-hung vorzüglich. Wennman an Tauberbischofsheimdenkt, so wird einem derTriumph der 55 er nahezuzu einem Räthsel. Aberes verlohnt sich nicht mehrsich drüber den Kopf zuzerbrechen, längst sindmir unsre Erfolge räth-selvoll; ich weiß nicht wo es steckt; im Einzelnen finde ich nahezu alleandern uns überlegen,Deutsche wie Fremde, unddoch haben wir sie allebesiegt. Es verlohnt sichdem nachzuforschen; aberzu finden wird es wohlnicht sein, denn ich suchenun schon so lange danach. Ankunft in Reimsetwa 2 12 Uhr. Abge-stiegen im Lion d’Or,der aber kein Zimmer mehrhat und mir nur im Eßsaalein Lager in Aussicht stellt;natürlich alles dankbar an-genommen; nur nicht lange besinnen. Das Hôtelliegt so zu sagen amFuße der Cathedrale. Also gleich in diesenberühmten Bau hinein. Ich mache einige vorläu-fige Notizen. Wie alle alten berühm-ten Kirchen, mit ganzwenig Ausnahmen, nichtfertig, wenigstens dieThürme nicht; die Spitzenfehlen, der eine hateine Art kleiner schrägerKappe auf. Auffallend an den Thür-men, sind die Stäbe, die einmal unter einandermit viel Zwischenraum und dann auch wiedermit viel Zwischenraumvom Kernstück, diesKernstück umstehn. Eswirkt mehr eigenthümlichals gerade besonders schön.Unendlich reich ist die Facade, also das Hauptportal und die das Hauptportal flan-kirenden beiden Portale.Zahllose Figuren fassenhier den Tiefbau derPortale ein. Sich aufDetails einlassen, hießeein Buch schreiben. Die Kirche ist dreischiffig,mächtige Pfeilerbündel tragenresp. bilden das Hauptschiff.Die Kapitälle dieser Pfeilerbündel, also die Stellenauf denen dann derSpitzbogen ruht, sindLaubwerk, Eichen, Acanthus etc. alle ver-schieden, aber alle vonderselben grau- goldgelbenFarbe. Das Hauptlicht gebendie Seitenschiffe, derengothische Fenster fast ganzaus weißem Glase be-stehn; das gedämpfte Ober- Licht fällt durch diesehr dunkel gehaltenenGlasmalereien-Fenster desMittelschiffs, die sehrhoch angebracht sind, indemsie nicht mit dem Auf- hören der Spitzbogen-Arkade beginnen, nichtso zu sagen auf diesenstehn, sondern indemsich zwischen Spitzbogen-Arkade und Buntglasfen-stern noch eine Säulen-gallerie- mit blauemHintergrunde einschiebt.Also etwa so:
Stellenkommentar
Gebäudeaufriss; Cathedrale Notre-Dame-de-Reims.
Die Decke das gothische Gewölbe ist himmel-blau mit goldnen Lilien,die Gurte sind dunkelgrau-goldgelb mit rothfarbnenKlinsen. Man kann nichtsagen daß dies allessehr schön wirkte; derStein aus dem die Kirchegebaut wurde ist grau-weiß, dazu nun diesviele blau und graugold-gelb (vielleicht absichtlichso abgetönt) aber ichkönnte nicht sagen, daßes farblich sehr schönwirkte. Das Hauptportal standimmer offen und in diein grauem Dämmer dalie- genden Schiffe fielnun bis zu erheblicherWeite in die Mittehinein das helle sonnigeTageslicht. Ueberall liegen Stroh-matten und wohl wenig-stens 5000 Rohrstühle, nachohngefährer Schätzung, stehenaufgeschichtet umher, umbei großen Festlichkeitenzu dienen. Viele Kapellen um-stehen den Chorumgang,alles reich geschmückt,namentlich auch mitvielen Statuen undBildern. In die Detailszu gehen ist nicht möglich. Am schönsten wirktwenn man sich indas sonnige Portalstellt, der Chorumbau und namentlich die indem Kapellenkranz sogelegene Kapelle, daßsie gerade dem Portalgegenüberliegt. Es istdies nicht, wie bei andrenKirchen der eigentlichehohe Chor, dieser istdurchbrochen, schließtdie Kirche nicht wahr-haft ab, sondern hinterdem hohen Chor, wirkendurch diesen durchbrochenenhohen Chor hindurch die dahinter gelegenenKapellen. Am meeistendie mittelste, aufderen Ausschmückungman wohl eine besondreLiebe verwandte. Nein, es ist so: der richtige hohe Chormit schön grauer Wand-fläche schließt nachhinten zu ab und dashohe buntfarbige Oberfenster in diesergrauen Wandfläche giebteinen schönen Ton undwirkt vorzüglich. DieserEffekt wird abernun dadurch noch gesteigert, daß die graue Wand-fläche des hohen Chorsunten durchbrochenist und durch denMittelspitzbogen dieserdurchbrochenen Arbeit diesersieht man nun indie dahinter gelegeneMittelkapelle, die selbstwieder ein schönesbuntes Glasfenster hat.Es wirken also außerder grauen schönenWand, die beidenFenster, von denendas obere der grauen Wand selbst angehört,das untre dagegender dahinter gelegenenKapelle angehört. Daman die dadurchentstehende, im Perspektivi-schen liegende Differenzgleich empfindet, ohnedoch zunächst zu wissenworin sie liegt, wirddadurch ein zauberhafterLicht- und Farben-Effekthervorgerufen. Louis XV Monumentauf dem Place royale,er steht als Imperator da, der „Handel“ so scheint es,kraut dem Löwen dieStirnlocke zum Zeichendaß sie gut Freund sind;eine andre Figur konnteich nicht enträthseln. DieInschrift lautet: De l’amour des Français eternel monument Instruisez a jamais la terre Que Louis dans nos murs jura d’être leur père, Et fut fidèle a son serment. A Louis XV Le meilleur des Rois Qui par la douceur de Son gouvernementFait le bonheur des Peuples1765 Dies geschah also 1765;retablirt und das jetzigewieder aufgeführt geschah1818. Die Inschrift brauchtdie Wörter erigé1765,retabli1818. Wahrschein-lich hatte man es 1789 oderso about zerstört. Unterden ursprünglichen Frakteu-ren befindet sich auch ein
La ville Reconnaissante. Auf der bronzenen Röhreoder Säule oben sitzt einePomona mit Wein-trauben in ihrem geflochte-nen Haar; sie hält eineTafel mit dem BasreliefBilde Godinots in Händen;hinter ihr oder mehr ihr zurSeite steht eine Art Götter-bote, eine untergeordnetereSorte von Merkur (denner hat große Flügel;ist alsovielleicht blos ein Genius)der die Tafel mit demBilde hält. Wie ich hinter Vischernkam. Neben mir saß einkleiner Herr, starkmittelalterlich, blond undgrau melirt, stark en- rhumirt. Er machte einegleichgültige Bemerkung,aber in jenem freundlichenTone dem man dasauf Reisen so wichtige Zuge-ständniß abhört: „ichspreche.“ Die Be-kanntschaft machte sichin Etappen. Ich hieltihn anfänglich für einengebildeten Landmann.Er sagte: „Die Straßburge-rinnen trauern; das istdoch Narrethei“. Nacheiner Stunde wußte ich,daß er ein Schwabe sei, u. daß er nach Vitry reise, umseinen Sohn zu besuchen, der in einem Reiterregimentdiene. Dies bestimmte michihn für einen bürgerlichenGutsbesitzer zu halten, dersich aber mit geistigenDingen beschäftigt habe,wie man solchen Personen,nicht grade bei uns, aberin andren Theilen Deutsch-lands, namentlich in derSchweiz vielfach begegnet.In dieser Vorstellung bliebich lange, namentlich auchals ermir erzählte, daßer am 2. Dezember mitdem Grafen Taube inStuttgart bei einemAbendmahl zusammengewesen sei, daß man angestoßenhabe im Glück darüber,daß ihre Kinder wohldurchgekommen seien unddaß am 2. Dezember dieNachricht dagewesen sei: die beiden jungen Grafen,die einzigen Kinderihres Vaters, sind gefallen,fast in derselben Minutetödtlich bei Champignygetroffen. „Der mei-nige blieb mir erhalten“.In Dänemark, Schleswig-Holstein,England, Schottland, war icheben solchen Gutsbesitzernbegegnet. Sie kommen auchbei uns vor, aber selten; wenn sie vorkommen sindes fast immer Bürgerliche.Wir fuhren wieder eineStation. Wir hatten vomStraßburger Dom gesprochen;er hatte das Gespräch aufden Ulmer hinübergelenkt,den ich auch gut kannte.„Sie würden ihn kaumwiedererkennen, seit erdie Strebepfeiler hat.“ Ichstutzte, und beschloß weiterzu fühlen. „In der Sakristeisagt ich, ist ein Bild voneinem alten Patricier, dassich mir eingeprägt hat;ich seh es vor mir, trotzdem es 15 Jahre ist, daßich es sah. Ich habeden Namen des Meistersvergessen.“ „Das ist einBild von . . . ; wohleins der besten aus derUlmer Schule. Das Coloritist so schön, daß es anGian Bellin erinnert.“Gian Bellin, sagt’ ichmirim Stillen, das ist keinGutsbesitzer, oder aller-feinste Sorte. Nun ruhtedas Gespräch ein wenig,dann sagte er bei einerbestimmten Veranlassung, die ichnicht mehr gegenwärtig habe: „das darf Sie nicht wun-dern. Diese Umbiegungdes e in oi ist ächt-französisch.“ Ehrlich gesagt, ichverstand ihn nicht rechtund sagte nur: zum Beispiel?„Nun aus credo wurdeje crois, aus debeoje dois, aus lexloi“ etc Nun war das Eis ge-brochen; es war nunso viel von wissenund vielseitigem Wissenbereits zu Tage gekommen,daß Zurückhaltung Affektationgewesen wäre und inZusammenhängen, die mirnicht gegenwärtig und die auch gleichgültig sind,fuhr er nun fort vonVenedig und Oberitalien,von Rom, Sicilien undGriechenland zu erzählen. „Washeißt gefahrvoll reisen;es sind nun 35 Jahreals ich durch die Termopylenritt und zwar den Weghinunter, wo Ephialtes diePerser hinaufgeführt hatte;alles stand in blühendemOleander, es war ent-zückend, aber die Gegendwar so verrufen durchRäuber, daß als ich endlichden Paß passirt hatteund am nächsten Dorf erzählte: „ich komm dorther“ eben dieser Bauervor mir floh, weil ernun sicher annahm, ichmüsse selber ein Räubersein.” Ich fragte bei einem Kunstgespräch (dies nun erst geben) oberLübke kenne? „Ei,freilich; wir waren ja Jahre-lang Collegen in Zürich.“Darf ich um Ihren Namenbitten. „Mein Name istVischer.“ Ach, der V-Vischerrief ich überrascht. Er lächelte.Ja, der bin ich. Ich sagteihm nun, wie er einGegenstand unser allerVerehrung sei, was er freundlich aufnahm. Wirplauderten bis Vitry. Nichtin allem waren wireinig; ein Preuße undein Schwabe, da giebt esimmer Differenzen und dasJahr 66 bot viele. Aberohne Gereiztheit wurde dieDebatte geführt und wirschieden in Herzlichkeit, Hier die Äußerungen über Bismarck siehe weiter nach- vor. dem ich noch den Sohnin hellblau (?) wenigstensaus der Perspektive gesehnhatte. Nichts geht dochüber solchen alten deut-schen Professor; wieunscheinbar und dabei wieviel dahinter, wie tapfer,wie unerschrocken, wie in gutem Sinne selbstbewußt.Nun die Geschichte mitdem Betrunknen, dannsein politischer Standpunkt.
Als ich, gleich nach meinerAnkunft in Reims, ausdem Hotel du Lion d’ortrat, kam über denPlatz ein Leichenzug: eineArt Dom-Schweizer,eine Mischung von Portierund Dom-Schweizer, eineArt civiler Tambour-major, dem Zugevorauf, dann der Geistliche,neben ihm 2 andre inweißen Chorhemden, von denen der eine in uner-hört tiefem Baß, überden Platz hin, die Lita-neien sang. Dann kamder überdeckte Sarg vonvier Trägern auf einerArt Trage getragen, dannwenige Leidtragende, Männerund Frauen. Es warnur eine „kleine Leiche“.Sie schritten durch dasoffne Portal, das Mittel-schiff hinunter, stellten denSarg an das Chorgitter,wo vier große Lichterbrannten und die Ceremonienhatten ihren Fortgang. Es ging alles sehr rasch; eswar nur eine „kleineLeiche“. Dann stelltesich der „Schweitzer“ wiederin Front, die Träger griffenzu und der Zug ver-schwand durch ein Seiten-portal. Es waralles wie ein Bild,wie eine Art Scene,die für mich in Scenegesetzt wurde. EinigeSoldaten: Schwaben,Sachsen, Baiern, setztenihren Umgang in denSeitenschiffen fort unddie Beterinnen an den Altären der Chorkapellenließen sich nicht störenin ihrer Andacht. Um 5 Uhr erhalt’ ich dochnoch ein Zimmer. Um6 12 zum Diner. Ganzgut. Eine französische, eineenglische, eine deutscheGruppe; – die Würtenbergeressen apart. Mir gegenübersaß ein Hauptmann vomRegiment Elisabeth. Nach dem Diner nochmal in die Stadt. EineBeschreibung der Cathedrale undder Stadt gekauft; dannin ein großes Café, um daselbst Thee zu trin-ken. Eben daselbst hab ichdiese letzte Hälfte vonReims geschrieben; dieerste Hälfte auf einemkleinen Strohstuhl imDom selber. Dies Café ist einniedriger, aber ungeheuertiefer Roccoco-Saal.Alles Gold und Spiegel;die Formen der zahllosenLustres und Wandcandela-ber alle ohngefähr sowie der Kronleuchterim Opernhause; dieDecke aus vielgestaltigen,Café Courtois, Rue de Talleyrand. drei- vier, fünf undsechseckigen Feldernbestehend, in derenHolzeinfassungen abernicht blos Stuck oderdergleichen sitzt, sondernbemaltes Glasgetäfel,was sich sehr gutausnimmt und denbunten Reichthum desGanzen sehr steigert. Fürein Café-Haus langefrisch. Im Saale selberlange Reihen von Stühlen, Divansund Marmortischen. Auf der Fahrt vonEpernay nach Reims passirt man bald hinter erstremden Forêt de Reims,eine Waldparthie, die früherwahrscheinlich viel größerwar. Was jetzt da ist,ist nur noch ein Rest;aber auch dieser Restist hübsch. Die Bahndurchschneidet ihn und manhat nichts Besondres;an einigen Stellenaber senkt sich dasTerrain und die Bahnläuft auf einem hoch-aufgeschütteten Dammedurch die Terrainmuldehindurch, rechts und linksder Wald, auf dessen Wipfel man nun herabsieht. DieserAnblick ist wahrscheinlichimmer schön, in diesen erstenFrühlingstagen aber warer vor allem frappant.Die untenstehenden Eichenwaren noch völlig kahl,aber das kleine Unterholzder Weiden-, Hasel- undBirkenbüsche grünte schonund so sah es dennaus wie auf Moosgesetzte graue, ins Riesen-hafte übertragene Corallen.
Introduktion.
Die Ostertage 1871 führtenmich wieder gen Frankreich.Der Zweck meiner Herbstreise, wie sich die Leser dieser Seite, freundlich erinnern werden,war nicht erreicht worden;die Franctireurs von Dom-remy hatten es andersbeschlossen als ich selbstund statt Sedan und das von siegreichen deutschen Heereneingeschlossene Paris zusehen, wurde ich selbereingeschlossen und angehalten eine unfreiwillige Reisedurch das unokkupirteFrankreich zu machen.. Der Gebranntescheut das Feuer; daes aber nicht Marottegewesen war, was michdamals in Feindesland geführt hatte, da ich einenvernünftigen Zweck hatteder trotz alledem und alledemfortbestand, so blieb mirkeine Wahl; – ich mußt’ eseben wagen. Am 9. Aprilbrach ich auf. Es war Ostersonntag. Ichhatte es mir so schön gedachtüberall am Wege hin dieGlocken und die geputzten Leute am Perron gehen zu hören,aber wie das Rasseln einesEisenbahnzugs selbst dasRollen des Donners über-tönt, so auch das Glocken-läuten und selbst diegeputzten Leute auf demPerron verschwanden inden hundertfältigen Uniformen. In Wittenberg, an der Bahnhin, standen in langer Linieunserem tausend französischeGefangner, nochjetzt in ihren verblaßten undverschlissenen Uniformennicht ohne Reiz etc. Reims lag voll Würten-berger. Auch das DivisionsHauptquartier hier. ReizendeKerle. Würtenberg. Jäger,kenntlich an den grünenBesätzen, kamen compagnie-weise vom Exerciren zu-rück; schöne Leute, breit-schultrig, gesund, leichten und doch sichren Schritts, dabei sangen sie deutsche Marsch-lieder. Es machte sich rei-zend. Sie sind die Sanspa-reils. Unsre können danebennicht bestehn. Ich hab esschon so oft gesagt, sag esimmer wieder; und es bleibtmir räthselvoll, daß esandre nicht finden und insolchem
In Epernay, das architek-tonisch ganz reizlos ist,befindet sich übrigens, vomBahnhof aus am bestensichtbar, am Rande derStadt ein sehr hübsches,Herrenhaus-artiges Gebäude, feinerroth und weißer Ziegelbaumit Pavillon-Dach. Im Hôtel, das ganzgut war, aber nochden alten Aubergen-Cha-rakter hatte, war die Haupt-sache der Hof; im Vorder-hause Salle à manger, imHinterhause Frühstückszimmer,dazwischen in einemSeitenflügel die Küche,aus der heraus nun derWrasen in beide Eßräumezog.
Donnerstag den13. April.
Abfahrt um 11 Uhr aus Rheims. In Betreff der Cathedralenoch folgendes. Bei gewöhnlicher nüchternerBeleuchtung wirkt dasWeitabstehende der Thurm-stäbe nicht angenehm,es hat etwas Hohles, Oedes,es ist als fehlte etwas,in der That sind es glas-lose gothische Fensterhöhlen.Dieser ungünstige Effektist aber nicht immer da.Bei untergehender Sonneerschien der sonst störendeZwischenraum wie miteiner Lichtmasse gefülltdurch welche nun die Stäbe dunkle Streifen zogen.Aehnlich schön präsentirte essich bei Sternenhimmel. An dieser Rheimser Cathedralesah ich auch zum erstenMale die Fortsetzung desreichen Portal- und Facaden-schmucks bis in die Flankenhinein, so daß es aus-sah, um durch einender Trivialwelt ent-nommenen Vergleich dieSache klar zu machen,als habe man einenfigurenreichen Bilder-streifen an die Fronteines Kastens zu kleben gehabt, habe aber, weilder Streifen länger warals nöthig, ihn zubeiden Seiten um dieEcken des Kastens herum-geklappt, so daß nun einTheil dieses Bilder- undFigurenreichthums „um dieEcke“ steht. Auch hier-gegen hatte ich Bedenken,als aber plötzlich einhelles Nachmittagslicht geradeauf diese Ecke fiel undFront und Flanke gleich-zeitig traf, war derEffekt ein wunderbarschöner. Als ich die Cathedraleumging, begegnete mir ein Trainsoldat, der alsletzter Ausläufer zum Telegra-phen-Dienst gehörte. Ichrichtete einige Frage anihn, fragte nach der Postund merkte aus seiner Ant-wort, daß er ein Schlesier sei.Wir schritten neben einanderher und die Unterhaltung nahmfolgenden Anfang:
Ich sah bald in Abgründeund gab es auf mich ihmspecieller vorzustellen. Also Donnerstag um 11 Uhr ausRheims; etwa um 1 inSoissons, das mit seinerschönen Kirche, deren einerThurm wie der größereund stärkere von 2Brüdern aussieht, seitabin der Niederung lag.Auch etwas zerschossenesMauerwerk der alt-modischen Befestigung (wieToul) war sichtbar. Ich traf in Soissons, indem, glaub ich, eigentlich Sachsen liegen (vom103. Regiment oder soähnlich) eine ganze AnzahlLeute von der 3. GardeBrigade: Alexander und Elisa-beth; ich plauderte mit ihnenund mit dreien, denen sichein langweiliger 96 erUnteroffizier zugesellte, fuhrich nun weiter, über Cres-py, auf Senlis und Chan-tilly zu. Die Leute, alledrei gebildet (zwei davonFreiwillige, der Elisabethanerganz wie Eltester inseinen jungen Jahren) erzähltenganz angenehm, namentlichvon den 2 maligen Kämpfen um
Stellenkommentar
Gebäudeaufriss; Turm der Kirche Saint-Thomas-de-Canterbury Crépy.
Crepy, sehr starkan Soissonserinnernd; der eineThurm ist zerstört; Soissonshat beide,aber der eine ist etwas größer undstärker, ein FaIl derwohl nicht sehr häufig ist. Le Bourget; so erreichtenwir Crespy. Hier stiegendie Gardisten aus; ich hättees auch gemußt; wußt’ esaber nicht, gerieth dadurchauf eine sehr unbeabsichtigteLinie und fuhr auf Paris zu.Die Stationsplätze wurdenso still, keine Preußen zusehn, bei der dritten Stationfragte ich mein vis-à-vis:
Bei der nächsten Station, derdritten, Plessis-Belleville(die beiden andren hießenOrmoy und Nanteuil)sprang ich aus dem Waggon,fatale Conversation; nachetwa 2 12 Stunden kam einZug aus Paris der michnach Crespy zurückführte. Es dunkelte als ichdaselbsteintraf. Abgestiegen imCafé de Paris. Wohnung übermPferdestall, Fliesen, Hof, Holz-gallerie. 1.
Frühstück in Crespy. Ab-fahrt etwa 11 Uhr in einemtrain de marchandises. Er-klettrung eines „Salon-Wagens.“Zugegen: 2 Intendantur-Beamte,1 Stabsarzt, 1 Unterstabsarzt, dreiLazarethgehülfen. Auf Senliszu. Ich stand und sahhinaus. In Senlis:
Erlauben Sie, daß ich mich Ihnen
vorstelle.
(Karte. Er sieht sie an, knifftsie zusammen und steckt sie ein)
Dann nahm er ein Papier ausder Tasche, wickelte eine Butter-semmel aus und begann zu essen. Das nennt man Politesse.12 12 Ankunft in Chan-tilly. Um 1 Abfahrt nachCreil. Um 2 12 Abfahrt nachMouy. Um 3 in Mouy.Der erste den ich sehewar George. Exercirplatz. Hin-gesetzt. „Lohmeier, Siestehen wieder vor oder zu-rück“. Immer Lohmeyer. Dannauf den Bauch gelegt. Dannv. Werders Curven. EndlichRückzug. „Der Rest istSchweigen.“ Um 6 aus dem GrandCafé in das Hôtel wo dieOffiziere aßen. Major Schramm.Ich bin Gast. Schon vorher Herrnv. Rohr getroffen. Bis 11 zu-sammen.
3. Im Schweizerhaus desCoëtlogon. Erst Vor-stellung; der Graf Maler,der Bruder Sculptor (dieNajade, nach der Uhr), dieSchwester. mit den Blumen und der Fragean G. „ob esseine ersteCampagnesei. Das Diletti-rende der beiden Brüder.Ganz legitimistisch. Einekleine reizende Fahne desGrafen Chambord, ichglaube aus dem Jahre1824 (? nachsehn). DieErinnerung an das Soane-Museum. Alles aufs klein-ste und complicirteste einge-richtet. Mehrere Bilder (Stiche) desGrafen Chambord, von ihmselbst geschenkt und dedicirt.Einige alte Bourbonen-köpfe. Er selbst hatte unterden Carlisten als Lancier-offizirgedient. Er trug von einemweißen, weichen Wollen-stoff ein Ding dessen Schnitter wahrscheinlich selbst erfun-den hatte, halb Joppe,halb Beduine, weiß, und mitrother Seide gesteppt. Einhübscher, lebhafter, intelligenterMann, ganz Bretone. DasHauptinteresse drehte sichnatürlich um den Coëtlogonvon la Hogue.
a. die Kanone mit Muschel-kies. Inschrift siehe hinten.
d. Die Vorliebe für Curio-sitätenkram bis zum Ridi-külen; Grotten, kleine Fon-tainen, Wasserleitung, Samm-lungen etc. Alles dies nach-her bei Fléchel nochgesteigert.
In dem Ueberreste (nurein Flügel) des 1793 zer-störten Liancourt-Schlosseswohnt der Duc Laroche-foucauld; in einem andrenkleinren Schlosse, das leerstand, hatten sich 1 Hauptmann,1 Adjutant, ein Divisionspredigereinlogirt und mit ihnenEmil, Benedek, Karlchen,Pinsel und Boxer, zwei Menschenund drei Hunde. Die beidenersten aus der großen „Karl-Lehmann-Familie“ diesesKrieges; die 3 andernbrillante Köter. Boxer eineArt Rappo, ganz Held, ganzKraft, Pinsel wie schonsein Name andeutet mehr von der gefühlvollen Sorte.Nun Boxers Thaten mit demKlotz und Pinsels Wachenbei der Leiche.
Stains. Hier wurde außerder Kirche vor allemdas Schloß zerstört. DieGranaten faßten dieEcke und legten hierdas Zimmer offen. Eswar das Jagd- und Speise zimmer; als Fries inBasrelief ein Aufbruchzur Jagd und die verschie-denen Phasen der Jagd.Die Avenue zum Schloß istniedergelegt; die Kübelder Orangerie wurdenso gerückt, um sieals Deckung, wie Erd-säcke, gegen den Feindzu verwenden. DieUnsren saßen hierund wurden von DoubleCouronne und Fort del’Est aus unter Feuergenommen; es lagen hier wohl alle Sorten,namentlich auch Gardefüsilire;man liest Schloßfreiheit,Bullenwinkel, etc. WenigeLokalitäten sind so zer-stört worden, wie diesesschloßartige Haus. Le Bourget. Ander von Soissons kommendenBahn. Es hieß: ziehteuch zurück. Das that manam 28. (ohngefähr) Oktober,und nun hieß es: wieder-nehmen. Dies geschah am30.
Rancy i ist entzückend.Es hat den Charakterwie Barnes oder Fulhamoder Hampstead oderHighgate; nur allesweißes Gestein, sonstalles Parkgarten mitallmöglichen Gittern,Bäumen, shrubberies,weiß und roth Dorn.Sehr lieblich, sehr ansprechend. Mont Avron.Rancyi geht in Villemonbleüber. Hier steigt manaus und ersteigt denMont Avron. Erhat oben eine ganzleidliche Ausdehnung, viel- leicht 1000 oder 1500Schritt im Quadrat unddie eine Hälfte davon,die den Sachsen etc.zulag, ist ganz undgar von einem tiefenLauf- oder Schützengrabenumzogen, der vor denGeschütz-Emplacements hin-läuft. Dieser Mont Avronzerfällt in 2 Hälften,in ein bois d’Avronund ein Plateau d’ Avron.Das „bois“ liegt nachOsten, das „plateau“ nach Westen zu. Das Ganzewar mit Bäumenbestanden; das Plateauaber mehr mit x---ub-artigen Baumlinien oderBaumgruppen, in denenHäuser lagen, dasbois war mehr Gestrüpp,namentlich viel Brombeerund ähnliches, aus dem,wie aus einem Gestrüpp-Wald, eine Anzahl Bäumeaufwuchsen. Dies wardie wilde Hälfte, dieandre Hälfte die culti-virte.Zwischen den beiden Hälften die Ueberreste einescampo. Die wilde Hälftelag den Sachsen etc. zuund gegen diese richtetesich das große ersteBombardement am 27.Dezember, das so furcht-bar wirkte (sie die Franzosen sollen2000 verloren und be-stattet haben) und zumAufgeben der Positionführte. Nun erschienendie Sachsen oben, rück-ten in die Front, alsonach Westen zu, und etablirtenihre Geschütze (als es über-haupt geschah) auf der cultivirten Hälfte,d. h. also auf demPlateau von Avron. Dies Plateau istnun durch eine großeMulde von einem nach Westen hin gegenüber gelegenen Plateaugetrennt, das man mit-unter in Bausch und Bogenals das Plateau vonRomainville bezeich-net. Dasselbe bildeteinen Hauptpunkt derPariser Befestigung nachOsten zu. Drei Forts liegen gerade gegen-über und das Fort vonRomainville rechtwinkligum die Ecke. Alsoso
Hptm: v.Witzleben von den Garde-füsiliren geplaudert. Herrv. Sydowconfiscirt den Kram eines Karrikaturen und Pasquillen-händlers,zerreißt es, wirft esüber das Billard weg indie aghast dastehende Fran-zosen-Gesellschaft hinein, läßtden Kerl arretiren undverschwindet wieder. Allesin der Ordnung und dochfurchtbar. Wie die ge-sammte Haltung. Es magnöthig sein, aber derSieger tritt mir zuscharf hervor.
Mittwoch d.
dendender
19. April.
Um 10 Fahrt nord-wärts und zwar in nachstehender Reihen-folge:
Villetanneuse, das viel-genannte, bleibt gleichlinks neben Pierrefitteliegen. In Front von Pierrefittehatte George öfters aufVorposten gelegen. Montmagny nicht vonBelang. In Deuil das Haus und Zimmer besucht, drinGeorge mit seinem altenPott gehaust hatte. ArmeLeute mit sehr dreckigenKindern wohnten unten, obenlagen Leute vom 3. GardeRegiment. Auf dem Kaminstand noch eine SchachtelZahnpulver, die er hierhatte stehn lassen. Montmorency, dasalte, ist lange nicht soschön wie sein Name; einewinklige, auf und nieder-steigende, an den Abhanggeklebte Bergstadt. DerMarkt, mit seine r Fleischer-halle, sehr alt, sehr schmutzig,sehr häßlich, dann findensich an den Ausläufernwieder reizende Punkte, sodie Eremitage des JeanJacques Rousseau. Es sollan 5 oder 6 in M. geben,die es alle sein wollen;von dieser wurde mir ver-sichert, es sei die ächte, nurdie eignen Bewohner bestrittenes. DieseEremitage liegtreizend. Die vorüberführendeStraße ist nur ein Pfad,alles Schöne liegt nachhinten hinaus; man blicktin einen großen aus ziem-lich bedeutenden Hebungen undSenkungen bestehenden Garten,voll der schönsten Bäume, Blu- men und Rasenplätze. Indem Gartenhause selbst nimmtman zwei, drei, nach demGarten zu gelegene Zimmerwahr, die „leicht überge-plündert“ sind. Roccoco-Möbel,noch leidlich gut erhalten,nur dann und wann eingroßblumiger Ueberzug, derdaneben liegt. Das Ganzegehört jetzt einem Kurio-sitätenkrämer, der hier„Gothik“ treibt. So wieirgendwo alte Kapellen u. Dorfkirchenabgerissen werden, ganzoder theilweis, ist er daund kauft die Dinge engros, Apostel, Propheten, Heilige,Crucifixe, mullions, Rosetten,gothische Fenster, auch wohleinen Strebepfeiler und läßtalles hier her schaffen. Hierwird es nun an die hoheGartenmauer geklebt wieeine Art Reliefbild und läuftnun in langer Linie andieser hin. Hier und dortschleicht sich ein bischen Al-hambra oder auch Roccocoein, aber nur sehr wenig,die Gothik behauptet dasFeld. Eine Art mittelalter-liches Museum, im Freienaufgestellt. Es berührt eigent-lich unangenehm, langweilig. Bei M mußman alt und neu unter- scheiden. Mehr aufwärts,auf der letzten Terrasse,(bis zu welcher Terrasseauch die Eisenbahn in derSerpentine aufklettert)erhebt sich Neu-Mont-morency, eine kleine, erstwerdende Park-Stadt. Durchden Park ziehen sich wenigedünnbesetzte Straßenlinien,lauter große Mieths-Sommer-häuser; hinter dieser Terrassehat, erhebt sich der Bergnoch einmal, gleichsamals Rückenlehne für dieseParkstadt, und die höchsteKuppe trägt wieder einigein einem gewissen Castell-Styl gebaute Häuser. In Front dieser Häuser hatman eine der schönsten Aussich-ten auf Paris, zugleichauf das vorgelegene Terrain,dessen Dörfer während derBelagerung so viel ge-nannt wurden und die mannun hier alle in ihrerLage zu und untereinanderdeutlich erkennt. Enghien hängt mitMontmorency fast zu-sammen; es hat, mit demihm unmittelbar zur Seite gelegenen StGratien, in das nun wiederEnghien übergeht, einenähnlichen Charakter wieRaincy, nur ist Raincy doch noch feiner, hübscher,vornehmer, lauschiger. MancheParthieen erinnern in Enghienetc. lebhaft an die unmittelbareUmgebung von Potsdam. Sehrschön ist der schwefelhaltigeSee von Enghien, der sosauber gehalten wird, daßes überall heißt: Defensede baigner des chiens dansle lac. Einige Villen sindsehr hübsch, dennoch find ichvielfach eine Styl-Verlodde-rung, wo mir unsre BerlinerBauten aus der gutenZeit doch unendlich über-legen dazustehn scheinen. In St Gratien fährt manan dem Lustschloß der Prinzessin Mathildevorüber; dann geht es aufSannois zu, bis an denMühlenberg hinan. Hiersteigt man aus und klettertaufwärts. Von diesemWindmühlenberge aus, hatman den schönsten Blickauf Paris, wenigstens soweit ihn die Nordhälftegewähren kann. Man steht hier so, daßalles zwischen zwei mächtigenPfeilern, zwischen demMontmartre und dem MontValerien daliegt, allerdingswie ein Meer. Die hundert- tausend Häuser von Parisblitzten in der Sonne,in aller Deutlichkeit ragtenlinks die Notre-Dame Kircherechts der Arc de Triompheauf, dazwischen das Pan-theon und der Dom derInvaliden, letztrer mitseinem Gold in der Sonneblitzend. Dort die Avenuevon Neuilly, das Bois deBoulogne, hier ein Viaduktüber den Eisenbahnzug unhörbar hin-gleitet, alles ein Bilddes Friedens, – da legt sich ein loses weißes Gewölkum die Ostfront des Vale-rien und gleich darauf rolltder dumpfe Ton durch die Luft zu uns herüber. Es ist Observations-punkt. Wir selber sahenkeine Truppenbewegungen,aber die Militairs, die hierstationirt sind, erzählten, mansehe ganz deutlich die Co-lonnen beider Parteien, die jetzt auf der Halbinselin Kampf lägen. Es handelesich jetzt um Asnières;zur Hälfte hätten es dieVersailler genommen, dieandre Hälfte sei noch inHänden der Rothen. DieVersailler seien ersichtlichbemüht Gennevilliers zugewinnen, um dann vonNorden her, den Feindzwischen zwei Feuer zuschossen ist (31er u. 71er) ging es zurück nehmen. Wir plauderten noch;da senkte sich drüben dergraue Himmel und von Südenherangetrieben fiel derRegen auf Paris und löschtestrichweise die weißeHäusermasse aus; jetzt warer auch der Invalidendomverschwunden und im Nufast standen wir selbstwie unter einem Wolken-bruch. Alles floh in das Gast-haus hinein; mehr wie 50 ineiner Stube. Unser Führerbestellte einen „Knickebein“,ein Bein das mir bisdahin noch nicht gestellt wordenwar. Cognac, Anisette und einEigelb, – es schmeckte gut, verbranntemir aber den Hals. Meine Schleimhäute sind noch nicht ganz aufdem Campagnefuß. – Ueber Epinai, das von Kleingewehrfeuer zer- Alle Pappeln sindniedergeschlagen undliegen in langenStücken x---xzwischen denGräbern; dieeine Hälfte ist ganzzerbrochen und zer-stört in allemHolz und Gestein,die andre Hälfte etwasbesser erhalten. Bugsbau vomKirchhofe von Le Bourget;Lorbeer aus dem Gartender Eremitage von Rousseauin Montmorency.
Stellenkommentar
Lageplan des Schlachtfelds; Le Bourget.
Der Grund drinsie ’ranschleichen.eingeschlagnes Loch.Brixen fällt.
Ueberall Schießscharten nachallen 3 Seiten hin; anein paar Stellen obenniedergerissen, woder Feind drüber wegkletterte. AllesQuadr. priez pour elle. Ein Quaderstein liegt an demKirchhofsloch, wo das X---xBataillon durchbrach, halb zerschlagenaber man liest noch „Ici reposema femme FelicitèLèpine. Elle fut bonneepouse et bonne mère. Elle estregrettée de son mari, de toute safamille et de tous ses amis. Passants
aus, der St Denis unddiese beiden Forts sohart betraf, habe denAusschlag in Paris gegeben,namentlich als nun auchdie Granaten in die Nord-vorstädte von Paris fielen. La Briche in seinemInnern zu beschreibenverlohnt sich nicht: eine äußre Umwallung,dann der hohe Cavaliermit vielem Geschütz undvielen Traversen; in denTraversen die Gewölbefür die Mannschaften.Das Erdwerk alles ausSandsäcken zu vielenTausenden aufgeführt. Inder Mitte einzelne Baulich-keiten, namentlich die Kaserne,die nun halb in Trümmernliegt. Herr v. Sydowmeint, das Feuer vom Norden Das Fort Double-Couronnesitzt wie eine Kappe aufder Nordseite der Stadt.Es ist nicht viel wasandres als eine imBogen ausgeführteetwas complicirte X---xmit drei hindurchführendenStraßen. Ihre Festigkeitin der Front besteht ineiner tiefen bassin- oder teichartigen Wassermasse,die jede Sturm- Annäherung auchnach dem Breschenschießenunmöglich macht. Außerdemwird der Anstürmende vonLa Briche aus beschossen. La Briche ist klein,aber sehr fest, und dasden großen Kern bildende„hohe Cavalier“ hochgenug, um die ganzeLandschaft zu übersehn,nach Norden hin bis Mont-, nach Westen hin nach Epinai, Argenteuil, Asnieres und bis zum kostbaren, Ehren-breitenstein-artigen Mont-, nach Süden hindie Stadt, nach Osten hin(wo die Aussicht begrenztist) nicht viel weiter alsbis Stains und dem wasdrum rum liegt.
durch aus aus ihrereignen Königskirchehinausgeworfen. Freilichverdienen sie es kaumanders; angeklext andieseKirche hatten siewiederum afficheartigmit schwarzer Oelfarbegeschrieben: l’egalité, liber-té, fraternité. Siestehen eben feindlich zu ihreneignen historischen Ueber-lieferungen und sind danndoch wieder stolz darauf.Alles X---x, Widerspruch,eine gott geschlagene Nation. Dagobert all der
französischen
franz: Königs und Königinnentragen, die hier inSt Denis beigesetzt wurdenund deren kümmerliche geretteteAscheüberreste nun hiergemeinschaftlich in einemSarge ruhn. Drei
französische
franz. Frauenhatten sich uns zugesellt.Der
Unter Offizier
U. O. sagte uns: dreiginge nicht; an dieserStelle dürften nur deutscheerscheinen; ich möchtees den Frauen sagen.Mit einer gewissen Schamthat ich es sehr schonend.Die Franzosen wurden Ueberreste selbst sammelteman später wieder indemman die Kute öffnete,nahm den erdigen Staubheraus und that ihn ineinen Sarg, gab diesemeine Bleihülle und setztedas Ganze in eineWandschrankartige Mauer-öffnung, in die mandurch eine schmale Klinseeintritt. Hier steht derSarg und an den beidenSeiten sind Tafeln vonschwarzem Marmordie die Namen seit Kasten enthält dieUeberbleibsel der MarieAntoinette. (Ihre Statuesteht oben in einem derSeitenschiffe.) Nicht weitentfernt von dieserStelle ist die sogenannteBußkapelle. Dies istdie Stelle, wo der mobdie Kirche vom Chor auserbrach, die Gräber derKönige massenhaft aufdie Straße warf undihre Ueberreste in eineKute warf. Daherwurde hier die Buß-kapelle gebaut. Die läufig in den Keller ge-stellt,“ sagte der Unter-offizier vom 4. Garde-Regiment. Eine andredrückte wohl die Weisheit,die Fruchtbarkeit (mitdem Storch) etc. aus.Links neben diesenStatuen ist einemannsbreite, vergitterteThüröffnung. Durch diesehindurch sieht man beiLichtbeleuchtung ein halbesDutzend Särge stehn. Alleseit 1293. Der erstegleich links, ein kofferartiger Das Interessanteste istdie Gruft. Hier stehtin der auf kurzenSäulen wohl der romani-schen Periode ruhendenCrypt alles möglichedurcheinander: Büsten undStatuen des letztenBourbons von LudwigXIII bis auf LudwigXVI; dazwischen allerhandandre große in Marmorausgeführte Bildwerkevon allegorischem Charakter.Eins davon stellt die„Stärke Frankreichs“ dar.„Man hat sie hier vor-Dionysiusheiligen. Wir habenda 1.) rechts nebendem Altar ein großesaltes höchst merkwürdigesHautrelief-Werk inMarmor, wie ein Altar-schrein gebildet 2.) DieGlasfenster im Chor dieganze Geschichte des heiligenDionysius darstellend. Dann kommen alsbesonders intressant in den Seiten- Schiffen der Kirche dieDenkmäler von Louis XII,Franz I, die Säule vonFranz II (Gemahl Maria Stuarts),auch wohl von Heinrich II. 3. in der Kapelle hinter dem hohenChor, ganz altes muthmaßlich Sandstein Hautrelief, dieEnthauptung etc. des St X---x darstellend.
25 im Briefcouvert.200 in zwei notes im obersten Kasten rechts.34 in drei gold-coins im Bücherschrank. An Emilie. Die Zettel conservirenunter dem rothen Bogen.Zu Niemand über die Red: Socialisten sprechen.